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Newfoundland – Kiss the Codfish

Guten Morgen, heute geht es nach Neufundland!

Hä, ist doch auch ein Hund…

Neufundländer
Stimmt, ist ein Hund.

…UND wo ist das genau?

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Da ist’s.

Neufundland und Kanada

Dass Neufundland eine Provinz Kanadas ist, ist mir auch neu.

Lange her ist’s nicht, als sie noch eigenständig, aber halb-britisch waren.

1949 wurden sie ein Teil Kanadas. Zur Provinz gehört jedoch auch Labrador. Offizieller Name ist Newfoundland and Labrador. Wieder etwas gelernt.

Erstaunlich ist, dass auf einer Fläche von ein Drittel Deutschland (nur die Insel Neufundland) 500.000 Menschen gezählt werden. Und die Hälfte davon lebt in der Hauptstadt St. John’s und Umgebung. Sprich die Insel ist leer. Aber hübsch!

Unsere Route:

North Sydney – Port aux Basques – Stephenville – Corner Brook – Gros Morne – Bishops Falls – Gander – St. John’s – zurück nach North Sydney

03.10. – 04.11.2014

Route Newfoundland

Neufundland Fähre

Aber noch sind wir nicht dort – noch sind wir in North Sydney. Von hier aus legt die Fähre ab. Gleich fahrn’ wir 8 Stunden übern See.

Der Spaß kostet für 1 Auto und 2 Personen schlappe 200$ – mit Marine Atlantik.

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2h vorher heißt es Einreihen und warten.
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Jetzt geht’s rein in die gute Stube.

Schaun wir mal, ob wir heute schön entspannt etwas Schreiben und Zeichnen mögen.

Eingedeckt mit Gourmet Frühstück fahren wir an Board: Italienisches Brot, Philadelphia Frischkäse, Tomaten, Zwiebeln und Ungarische Salami! Hört sich nach einem Schmaus an. Mal etwas anderes als Bohnen, Linsen, Bratkartoffeln, Eier, Nudeln – unsere Standardgerichte.

Natürlich ist die Salami fake. Ungarische Salami in Kanada für 3$? Ganz sicher nicht.

Auf der Fähre stibitzen wir gleich mal Honig und Marmelade vom Restaurant. Und anschließend fragen wir frech nach heißem Wasser, um mitgebrachten Tee zu trinken. Klappt alles!

Da freut sich ein Sebastian.

Parallel startet der Spaß.

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Das Schiff beginnt bergauf und –ab zu fahren. Plötzlich hast du das Gefühl von deinem Sessel aus abzuheben. Ist das Schwerelosigkeit? Schwups klopft das Frühstück von unten an.

Das Restaurant befindet sich ganz vorn. Clever. Hier wackelt’s am Schlimmsten. Hat wieder einer mitgedacht. Ich flüchte! Mit Tee in der Hand begebe ich mich auf den Weg nach hinten. Ich hebe kurz ab und lande vor den Füßen des Kapitäns. Wo ist denn hier der ruhigste Ort, frage ich ihn. Das muss gleich dort sein, vergewissert er mir.

Mein Gott ist mir schlecht! Ich fletze mich in einen Sessel und hoffe, dass das Gefühl vorbeigeht. Um mich herum ist alles frei. Die Fähre scheint fast leer. Vor mir befinden sich drei monströse Bildschirme. Baseball, Kochshow, Science-Show. Hm kochen. Ok jetzt ist es soweit. Ich renne zur Toilette.

Mein Magen hält stand, doch habe ich das große Glück einer Frau neben mir zuzuhören, wie sie sich übergibt. Es ist die dicke Frau mit Kleinkind, die beim Frühstück neben uns saß. Frühstücken auf der Fähre ist also nicht die klügste Idee.

Den Rest der Fahrt penne ich durch. Schlafen beruhigt den Magen. Schlafen trickst das Gehirn. Es vergisst das Schaukeln.

Ich weiß jetzt schon, dass die Rückfahrt eine Nachtfahrt wird. Definitiv!

Hallo Neufundland – da bist du ja.

Entschuldige, aber ich kann mich noch nicht zu doll freuen, ich brauche erst deinen Boden unter meinen Füßen. Auf dem Meer ist nicht so meins. Eher im Meer – vielleicht sollte ich nächstes Mal schwimmen.

Es ist 18:00 Uhr. Schlafplatzsuche. Die Touri-Saison ist vorbei, daher sind alle Campingplätze geschlossen. Doch ein Fuchs flüstert uns zu, dass sie dennoch offen sind. Nur geschlossen, nicht verschlossen. Camping for free also.

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Zum Frühstück erst Mal Chips! Leider sind Maple Bacon Chips in Kanada echt lecker! Die Sucht, die Sucht.

Es ist Anfang Oktober und wir kriegen Sonnenschein geschenkt. Was für ein geiles Wetter heute!

Darauf erst mal nen Film schauen!

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Abwasch wie so oft im Fluss.

Auf geht’s zu einem kleinen Spaziergang am Morgen.

Der kleine Spaziergang wird unerwartet lang.

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Und länger.

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Es scheint kein Ende zu nehmen.

Wir wollten doch nur kurz ans Meer. Ursprünglich dachten wir schnell mal in Schlafanzug und mit Zahnbürste gewappnet loszuziehen, um uns kurz zu erfrischen. Mission völlig verfehlt. Langsam aber sicher stellten sich ungewöhnliche Verhaltensweisen ein.

Durch noch mehr Wandern, wurde es nicht besser, sondern schlimmer.

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Doch dann! Dann waren wir urplötzlich auf Usedom!

Wir nutzten den Strand um runterzukommen.

Bevor etwas in uns durchdrehte. Sorry.

Wir beschlossen, uns auf den Rückweg zu begeben.

Doch Annegret schaffte es leider nicht.

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RIP Annegret Braun

Im Afterlife trifft Sebastian erneut auf Annegret. Doch sie hat sich verändert.

Weiter geht’s nach Stephenville

Glücklicherweise haben wir schon Couchsurfer klar gemacht. In Stephenville die Erste. Auf geht’s.

Süße Straßenkunst.

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Hallo Stephenville, wir sind da. Ohje eins fehlt uns noch: die Adresse der Couchsurferin. Ups. Das ist nicht dämlich, das ist dumm!

Naja, was solls. Fragen wir kurz per SMS.

Kein Empfang. Und nun? Da ist McDonalds – Internet! Vielleicht antwortet sie ja schnell per Mail. Pustekuchen.

Ein McDonalds Mitarbeiter kann uns nicht aufmuntern: „Oh ja Rogers funktioniert hier in Neufundland nicht. Die haben hier keine Mäste. In St. Johns vielleicht, aber nicht hier an der Westküste.“

Gelernt: Alles vorher abklären! Denn es kann ja vorkommen, dass dein Handyanbieter in einer gesamten Provinz keinen Empfang anbietet.

Weiterfahren. Es ist dunkel. Wir kennen zwei Fakten von Neufundland.

„Der Wind ist der Killer.
Die haben ein Elch-Problem. Fahrt nicht im Dunkeln. Die haben massenhaft Elch-Unfälle!

Wir wollen jedoch nicht in der Stadt irgendwo campen. Das Gefühl kennen wir bereits. Und es war nicht schön.

Also auf in den Elchkampf. Wir fahren vorsichtige 50km/h auf dem Highway. Wir wollen nicht zu viel riskieren. Ein Schild muntert uns auf.

2013 - 660 Elchunfälle.

Nervenkitzel. Wir passieren einen Elchzaun. Der neuste Schrei aus Europa, den sie hier auch mal ausprobieren wollen. An die Naturbrücke, auf der die Tiere doch irgendwie auf die andere Seite kommen, haben sie noch nicht gedacht. Mal sehen, wann das hier ankommt.

Wir finden eine Schlafecke nicht weit vom Highway entfernt. Lagerfeuer, Nudeln, Tee. Gute Nacht.

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Corner Brook – you’re next

Herbst in Neufundland.

Wir sind auf Mission, sie lautet: „Die Suche nach dem See.“

Sie führt uns zu einer Sandstraße ins Nichts und zum Trinkwasser-Supply von Corner Brook, der zweitgrößten Stadt in Neufundland. Diese ist mit stolzen 20.000 Einwohnern recht bombastisch.

Was Neufundland nicht hat, sind Menschen.

Doch was es hat, sieht so aus:

In Corner Brook couchsurfen wir bei Leann Morgan. Wie es dazu gekommen ist? Tja diesmal haben wir vorher nach der Adresse gefragt.

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Begrüßt werden wir mit Sonntags-Turkey-Dinner und Alkohol. Wir können wählen: Neufundland Bier, Wein, selbstgebrautes Bier oder selbstgemachter Wein.

Leann hat ein großes neugebautes Haus, eine Diva-Katze namens Buffy und ist Ingenieurin auf einem Science-Schiff. Dort arbeitet sie 28 Tage an Board und hat anschließend einen Monat frei. Im Haus wohnen auch ihre Eltern, in einer abgetrennten Wohnung versteht sich. Irene und Elvis. Und Hund Sassy, ein kleines schafsähnliches dickes Wollkneul.

Uns wurde schon zuvor mitgeteilt, die „Newfy’s“ seien wirklich nette Leute. Jetzt dürfen wir es selbst erleben.

Diese Familie verwöhnt uns nach Strich und Faden.

Sie bekochen uns mit neufundländischen Spezialitäten und verbieten uns, eigenes Essen zu kaufen. Wir sollen das besser für unser Abenteuer aufsparen. Hier werden wir jetzt durchgefüttert! Oder besser gesagt fettgefüttert. Denn wir werden einer Nachspeise vorgestellt, die uns nicht mehr loslässt: Smores! Man nehme einen herkömmlichen Keks, belege ihn mit einem Stück Schokolade und packt einen Marshmallow oben drauf. Das ganze kommt für wenige Minuten in den Ofen und wird heiß und zerlaufend die Kehle hinunterfließen.

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So siehts aus. Smores mit Doppelkeks.

Doch nicht genug, auch werden wir zudem in Alkohol ertränkt. Wenn wir wollten, könnten wir jeden Abend besoffen sein. Meistens von selbstgemachten Wein mit ordentlich Prozenten. Schmeckt gar nicht schlecht.

Leann spricht oft ihre Verwunderung aus und bestätigt, dass ihre Eltern uns echt mögen müssen. So wie sie uns verwöhnen.

Abends auf der Couch. Little Dwarf Annegret.

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In Corner Brook finden wir eine Box für Elch-Gebisse. Auch schön.

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Und im Wald steht ein altes britisches Auto.

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Sebastian baut unseren Wood-Stove

Die Idee war längst geboren, nun geht es zur Tat.

Wir haben keine Lust mehr, ständig neu Gas zu kaufen für unseren Camping-Kocher. Wir wollen unabhängig sein und nutzen, was die Natur uns schenkt. Was gibt es da besseres als Holz in Kanada?

Ta Dah. Ab jetzt kochen wir mit Holz.

Cabin in the woods – Goose Arm

Elvis fragt uns, ob wir am Wochenende mit zur Cabin nach Goose Arm wollen. Ihre kleine Hütte im Wald am Wasser. Sie wollen auf Elchjagd gehen.

Logo sind wir dabei.

30km offroad Straße. Leann fährt. Mit dem Auto ihrer Mutter, es sei etwas höher als ihr eigenes. Aber es ist ein normales Auto, kein Pickup, kein Truck. Leann knallt über die Löcher und heizt die Straße entlang. So fahren hier übrigens alle. Wenn das Auto es nicht aushält, muss eben ein Neues her.

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Die Natur ist atemberaubend. Langsam aber sicher verstehen wir die Hinweise der Leute, die uns rieten nach Neufundland zu gehen. Es sei spektakulär.

Ich sage euch, sie hatten recht! Es ist überwältigend. Mancher Ausblick erinnert mich an Neuseeland. Definitiv gibt es Gemeinsamkeiten.

Kaum angekommen, nutzen wir den grandiosen Abend und erkunden die Gegend.

Die Morgan’s. Und dickes kleines Hund.

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Abends in der Hütte werde ich unterrichtet im Zubereiten von Rice Krispies. Man haut eine Packung Marshmallows in einen Topf, erhitzt es bis alles flüssig ist und streut Kornflakes (am Besten Rice Krispies) hinein. Kalt werden lassen oder gleich essen, je nachdem ob man Schweinerei mag oder nicht.

Kurz später geben Sebastian und ich unsere Künste am “Ugly-Stick” preis. Ein traditionelles Musikinstrument gebaut aus einem Besen, einem Gummistiefel sowie Bierflaschenverschlüssen, Metalldosen und anderweitig geräuscherzeugenden Gegenständen. In unserem Fall noch zusätzlich mit Puppenkopf. Gespielt wird mit einem Drum Stick. Es soll Leute geben, die tatsächlich organisierte Töne damit erzeugen können, doch aus uns beiden spielt gerade der Alkohol.

Moose Hunting in Goose Arm

Am nächsten Morgen heißt es vor der Sonne aufstehen. In der Dunkelheit steigen wir auf Quad und Truck. Lasset die Jagd beginnen! Die Knarre liegt angelehnt an mein Bein. Die Augen suchen nach dunklen Flecken in den Wäldern und Wiesen. Und langsam erhellt der Morgen.

Gejagt wird hier anders. Waffe auf dem Rücken und ab in den Wald? Denkste. Wir knallen mit dem Quad kleine Waldwege entlang und hoffen einem Elch zu begegnen. Die Tiere hätten sich an die lauten Motorengeräusche gewöhnt heißt es. Fraglich. Irgendwie muss es jedoch klappen, denn in Neufundland gibt es kaum einen, der nicht auf die Jagd geht.  Und noch weniger kommen ohne Beute nach Hause.

Von der Elchplage sehen wir nicht viel. Besser gesagt wir sehen nichts. Nicht nur ohne Beute kommen wir nach Hause, auch ohne überhaupt einen Elch gesehen zu haben. Oh lüge ich da? Gesehen haben wir das hier:

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Es gibt sie also doch! Schöner Moose-Schiss.

Doch echte Jäger lassen sich so etwas nicht bieten. Elvis geht mit Sebastian erneut in den Wald – sie stellen Hasenfallen auf.

Fressen und gefressen werden

Zurück im Haus in Corner Brook wird zubereitet, was gefangen wurde. Heute gibt es Hase. Was kommt, könnte einige verschrecken. Jedoch läuft es nun mal so ab. Die Neufundländer jagen nicht aus Spaß oder der Trophäen wegen. Sie jagen, damit sie etwas zu essen haben. Bis der Hase auf dem Teller landen kann, durchläuft er folgende Stationen:

Sassy ist schon ganz aufgeregt. Jedoch eher wegen ihrer Hundekekse.

Dann mal Guten Appetit!

Leann’s Meeresgrundsammlung. Die Wissenschaftler des Schiffes, auf dem sie als Ingenieurin arbeitet, entnehmen Proben vom Meeresgrund in 1500m Tiefe. Als Mitbringsel von See schickt Leann hin und wieder einen 0,5l Styropor Becher mit nach unten. Zurück kommen er gepresst im Miniformat. Auf jedem Becher hält sie die genauen Koordinaten fest. Schöne Kollektion.

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Annegret versunken.

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Tschüss Leann, Irene, Elvis und Sassy! You are awesome!

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Gros Morne National Park

Nach zwei Wochen bei Leann und ihrer Familie machen wir uns auf zum Gros Morne National Park – dem Wahrzeichen Neufundlands.

Auf dem Weg finden wir ein Skigebiet mit drei Liften.

Skigebiet Marble Mountain
Skigebiet Marble Mountain

Willkommen in Gros Morne.

Kurze Rast. Was genau soll uns dieses Schild sagen? Irgendwie zweideutig.

Lobster Cove Head Lighthouse

Wir finden ein hübsches Plätzchen kurz vor Western Brook Pond. Schnell ersichtlich sind Annegret’s Sprungbegabungen. Ich zitiere meinen Vater: “Sprungkraft wie ein Kühlschrank.”

Western Brook Pond

Wir finden abends eine überdachte halbe Hütte auf einem Rastplatz. Wände gibt es nur an 3 Seiten, doch es steht ein Kamin drin. Für uns gut, denn es beginnt zu regnen.

Als es regnet und windet, fällt uns auf, dass es schlichtweg eine weitere kanadische undurchdachte Sache ist. Wenn ich schon eine Hütte in den Nationalpark stelle, warum lass ich ne Wand weg? Wegen der Frischluft? Hat da einer vergessen, dass Neufundland das windreichste Land der Erde ist? Achso ich vergaß, dass Windenergie hier ineffektiv sei. So denkt die Regierung. Komisches Denken.

Was wir noch nicht wissen, dass eine der spektakulärsten Aussichten des Nationalparks der Western Brook Pond ist. Leider leider sehen wir diesen nicht. Erstens regnet es den ganzen Tag, zweitens legt sich ein dicker Nebelmantel über das Land und drittens wissen wir nicht, dass das hier ganz in der Nähe ist:

Western Brook Pond Fjord
Western Brook Pond Fjord

Stattdessen sehen wir das hier.

Baker’s Brook Falls

Am nächsten Tag hiken wir den 9km langen Trail entlang. Start ist am Berry Hill Campground. Bis zum Wasserfall schaffen wir es nicht, da es zu schnell dunkel wird und wir umkehren.

Schön dort zu wandern, oft auf Holzwegen, da rundherum sumpfiges Gebiet ist. Wir erreichen einen Aussichtspunkt, von dem die herumliegenden Berge aus dem übrigens Flachland herausstechen – einfach atemberaubend.

Unser Rückweg findet in der Dämmerung statt. Mit jedem Schritt entzieht sich die Sonne uns ein wenig mehr. Langsam können wir unseren Augen nicht mehr trauen. Vorstellung und Realität vermischen sich mehr und mehr. Geräusche wecken unsere Aufmerksamkeit. Steht da etwa ein Elch? Dort hinten, kannst du es sehen, den schwarzen Fleck? Ich glaube ich sehe ein Geweih! Und da, ist da nicht noch eins? Ein Weibchen.

Sicher sind wir uns nicht. Es sind ca. 100m zwischen uns und den starr stehenden schwarzen Punkten. Ich bin mir sicher, ich sehe das Geweih. Warum ist es nur so dunkel! Auf jeden Fall starren sie zurück. Sie haben uns bemerkt.

Wir gehen weiter. Wir haben Hunger, es ist fast dunkel. Der helle Holzweg leitet unseren Weg. Ringsherum sind dichte Bäume. Was wenn jetzt so ein Elch rausspringt? Lieber nicht dran denken und weitergehen.

Gros Morne Hike

Wir wollen einen 16km Hike machen, zum höchsten Punkt von Gros Morne. Die Nacht hatte es durchgeregnet. Gewappnet mit Regenkleidung wollen wir uns auf den Weg machen. Als es beginnt in Strömen zu schütten! Wir sitzen im Auto, schauen uns an und beschließen „lieber doch nicht.“

Was wir gerade noch nicht wissen, dieser Regen ist Vorbote eines Hurrikans!

Das wäre doch ein Spaß gewesen. Dem Himmel entnehmen wir eindeutig, dass ihm gerade nicht gut ist, er schaut düster drein. Wir verlassen Gros Morne.

Auf geht’s an die Ostküste

Obwohl vom Highway aus nicht viel Schönes zu finden ist, passieren wir Aussichten wie diese.

Generell ist es in Neufundland zu empfehlen, sich vorher zu überlegen, was man sehen möchte. Wenn man hofft, am Highway informative Schilder zu finden, hofft man vergebens. Lieber etwas Zeit darin investieren, mit den Einheimischen zu reden. Sie wissen besser als jedes Visitor Centre, was sehenswert ist und was nicht. Außerhalb der Saison sind diese Zentren sowieso geschlossen. Wir vermuten halb Neufundland ist außerhalb der Saison geschlossen. Irgendwie scheint hier vieles leer, zu oder unheimlich. Oder sind das Nachwirkungen der 90er Krise? Vielleicht.

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Wir übernachten in Bishop’s Falls im „Falls View Park“. Morgens entdecken wir neben uns keinen Wasserfall sondern ein Wasserwerk. Auch schön.

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Sebastian’s Lieblingsbeschäftigung.

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Halloween-Schmuck in Bishop’s Falls.

Wir fahren einen kleinen Schlenker in den Norden – Highway 340. Wir sehen viele reiche Häuser in der Gegend von Birchy Bay. Und finden eine alte Kirche mit Zipfelmütze. Erinnert uns an den sprechenden Hut aus Harry Potter. Hoch leben die außenliegenden Stromleitungen, die einfach jedes Bild ruinieren können.

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Noch weiter nördlich erreichen wir Port Albert – ein halbtotes Fischerdörfchen. Die Bewohner schauen uns verwundert und etwas eingeschüchtert entgegen, doch grüßen leicht lächelnd zurück.

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Auf dem Weg nach Gander.

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Couchsurfing in Gander

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In Gander haben wir Couchsurfing bei Jon Groten. Hubschrauber Pilot im Rettungsdienst. Er zeigt uns beindruckende Bilder, die er aus der Luft gefilmt hat. Da kann man schon neidisch werden.

Wenn du als Pilot in Neufundland in Rente gehst, kann dein letzter Arbeitstag so aussehen:

Du fliegst mit deinem Team und findest einen gigantischen Eisberg. In der Mitte des Eisberges findest du einen Pool – größer als ein 50m Schwimmbecken. Das sieht dann ungefähr so aus:

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Du wirst abgeseilt und schwimmst einige Minuten in diesem eiskalten frischen Wasser. Vom Helikopter wird alles gefilmt. Du gehst in Rente und hast ein Video in der Tasche, von dem dir niemand glaubt, dass die ganze Sache echt ist. Ich finds geil.

Nächste Station: Hauptstadt St. John’s

Wir sind an der Ostküste der Ostküste. Es regnet und regnet und regnet. Repeat.

Alternatives Couchsurfing

Wir erhaschen aller spontanstes Couchsurfing, bei einem Typen (Evan), der zur Zeit nicht einmal in Neufundland ist. Seine WG nimmt uns auf. Tolle offene interessierte junge Menschen, die uns gern die Tür aufmachen.

Das Haus ist mehr als abgewohnt, schimmlig und muffig, geheizt wird auch nicht. Wir dürfen das Zimmer von Evan bewohnen. Bettzeug dürfen wir uns suchen. Aus einer Art Kuschelecke ziehen wir müffelnde klamme Decken und Kopfkissen und beschließen doch wenigstens unsere eigenen Kissen aus dem Auto zu holen. Meine Hundenase ist zu gut, um eine ganze Nacht tief in dieses Kissen zu schnüffeln.

Dennoch sind wir dankbar, nach einem ganzen Tag Autofahren im Regen ein Dach über dem Kopf zu haben und von netten Menschen umgeben zu sein. Die Sache mit der Hygiene lassen wir mal ruhen.

Es ist Freitagabend und die WG ist voll. Es wird gekocht für Freunde, die mit Bier, Wein und Oliven vorbeikommen. Der Küchentisch ist voll mit Biokeksen und Bio-Riegeln. Mit voll meine ich voll. Berge von Schachteln! Ich frage was das alles sei. „We just went dumpster diving.“ Was bitte ist das? Na du weißt schon, in Müllcontainern…

Alles klar. In der Küche stehen ebenfalls mindestens 30 Packungen beste Bio Kornflakes. Alles max. 1 Monat abgelaufen, trotzdem noch mehr als genießbar. „Just help yourself.“

Wir kochen unser eigenes Abendbrot, doch dürfen auch später von ihrem noch mal mitessen. Bei uns gibt es Linsensuppe, bei ihnen Gemüsesuppe + Codfish (Kabeljau) + Reis + Salat. Lecker lecker sag ich nur.

Codfish und Neufundland

Codfish war mal das DING in Neufundland. Die Geschichte besagt, dass die Schiffe, die Neufundland entdeckten, wegen der Massen an Fisch im Wasser steckenblieben. Mit Körben schöpften sie die Fische aus dem Wasser. Sie beschlossen hier zu bleiben und waren reich an Fisch. Man aß Fisch immer und überall, getrocknet, gesalzen, gekocht…

Neufundland war ein Land der Fischer. Bis 1990 der große Einbruch kam. Man hatte das Meer leergefischt. Nichts war mehr da. Dann wurde verboten weiter zu fischen. ¼ der Bevölkerung verloren ihren Job und Neufundland fiel in eine große Existenzkrise. Ganz erholt hat sich das Land noch nicht, jedoch wird nun die Wirtschaft durch Tourismus und Öl angekurbelt.

Naja… hin und wieder scheint man Codfish zu kriegen. Und er schmeckt genial!

Apropro… was ist eigentlich mit “Kiss the codfish”?

Wer Neufundländer werden will, kann dafür ein Ritual durchlaufen – Screeching in. Dazu gehört spezielle Regenkleidung, ein gutes Gehör und Vorstellungsvermögen, denn man muss verstehen und wiederholen, was ein Newfie dir vorspricht. Und Newfies sind dafür bekannt, so schnell und undeutlich wie es nur geht zu sprechen. Verstehst du einen Newfie, kannst du englisch sprechen.

Dann wird ein Screech (Rum) getrunken und zu guter Letzt der Codfish auf den Mund geküsst. Voila. Dann bist du offiziell ein Newfie.

Sind wir eigentlich in UK oder was?

St. John’s ist die europäischste Stadt, die wir bisher in Kanada gesehen haben. Man kann es auch leicht mit Großbritannien verwechseln. Pubs über Pubs, bunte Häuser und Regen. Das Klima an der Ostküste ist recht mild. Nur selten werden hier harte Minusgrade erreicht. Meistens pendelt es sich um die 0°C ein, dafür gibt’s dann um so mehr Regen.

Tatsächlich waren die ersten Siedler hier irischer Herkunft und trugen ihre Kultur bis in die heutige Zeit hinein. Selbst der Accent klingt irisch. Hinzu kommt, dass viele Iren herziehen, weil sie es hier anscheinend genauso schön finden wie zu Hause.

Wir kreuzen einen Truck mit eigener Tankstelle. Haben nicht wenige hier.

Signal Hill

Wir haben das typische Wetter mit Nebel und Regen. Draußen sein macht nicht wirklich Spaß. Dennoch besteigen wir den glorreichen Signal Hill und sehen die Stadt von oben in Nebel gehüllt.

Signal Hill ist ein kleiner Berg, der durch ein noch kleineres Werbeschild aufgewertet werden soll:

Einst sei Signal Hill so hoch gewesen, es habe die Schweizer Alpen überragt.

Wow könnte man denken. Hier der Haken – mit „einst“ ist vor der letzten Eiszeit gemeint. Kein Scherz. Aus Scheiße Gold machen, das können sie hier. Eine Fähigkeit, deren Erlernen wir nicht abgeneigt sind.

Couchsurfing bei Jerry

Wir landen beim nächsten Couchsurfer – immer noch St. John’s. Wir landen bei Jerry. Ein reicher Mann, der in einem viktorianischen Haus wohnt, von Beruf Direktor des Kulturerbes Neufundlands. Sein Heim ist geschmückt von historisch wertvollen Gegenständen, die er aus aller Welt von Reisen und Arbeitsaufenthalten mitbringt.

Und Jerry ist nicht nur richtig cool, sondern auch ein Gastgeber, den man sich besser nicht wünschen könnte. Er kocht für uns Gerichte, für die du im Restaurant ein Vermögen ausgeben würdest. Beste Pasta mit selbst gemachtem Pesto plus Hummer und Shrimps. Als Nachtisch der beste Blueberry Pie, den wir je gegessen haben! Und natürlich ein Rotwein vom Feinsten. Himmlisch!

Am nächsten Tag ein indisches Chickencurry. Auch einfach wahnsinnig wohltuend.

Annegret’s Haare danken auch. Sie sitzen heute zufällig perfekt.

Wir reden Stunden mit Jerry über deutsche Kultur, über die DDR, über das heutige Denken in Deutschland. Er ist sehr interessiert und die intensiven Gespräche wecken unsere eigenen offenen Fragen und durchleuchten das, was wir glauben zu wissen. Seine Fragen werfen neue Fragen auf und es werden wunderbar tiefe Gespräche.

Sebastian und Jerry bei der Arbeit.

Vorbereitungen des Photoshoots “Alle streicheln Sebastian”.

Danke Jerry! Es ist wundervoll bei dir!

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Spaziergang am Hafen

Wir wandern an der Südseite des Hafens entlang. Von hier aus fangen wir tolle Blicke auf die bunte gegenüberliegende Stadt ein.

Cape Spear – der östlichste Punkt Nordamerikas

Ultimativer Osten. Hier steht der älteste Leuchtturm von Neufundland & Labrador – von 1835. Und ein Fort aus dem 2. Weltkrieg. Interessiert uns beides gerade wenig, denn es gießt wie aus Eimern. Der Wind darf jetzt bitte aufhören uns auszupeitschen.

Wer sich wundert – ja, ich trage Klammern. Warum? Damit meine Kapuze auf meinem Kopf standhält. Festgesteckt an der Mütze quasi.

Dieser Ort ist berühmt, um Wale zu erspähen. Heute leider nicht. Niemand will bei diesem Wetter raus gehen.

East-Coast-Trail

Nach einer Woche bei Jerry ziehen wir weiter, um mehr zu wandern.

St. John’s liegt nah am berühmten East-Coast-Trail, ein Wanderweg entlang der gesamten Ostküste Neufundlands – 265km.

Spout Path

Wir hiken einen Teil des Spout Path’s entlang, ein 17km Trail von Bay Bulls bis Goulds. Es ist für uns nicht möglich den gesamten Trail zu wandern, da wir ja hin und zurück müssten, um wieder am Auto anzukommen. Zudem sind wir gemütliche Wanderer und nehmen uns Zeit zu beobachten, was vor uns ist.

Der Weg führt teilweise nur zwei Meter am Abhang vorbei. Kein Zaun. Das treibt uns Kribbeln in den Bauch.

Wir kommen bis zum Leuchtturm, machen kurze Rast.

Ab geht’s zurück. Das Wetter ist wechselhaft. Regen und Sonne knobeln um den Sieg. Und ein Hobbit erklimmt den Gipfel.

La Manche Village Path

Ein weiterer Hike. Kurze 2km und zurück. Wir starten in Tors Cove und wandern Richtung Suspension Bridge.

Auf dem Weg finden wir Doctors Cove. Eine Steinküste so rau und unberührt wie Mutter Natur sie schuf.

Auf der anderen Seite der Suspension Bridge liegt das alte verlassene Dorf La Manche Village. Von dem ist jedoch nicht viel übrig außer einige Grundsteine der Häuser. Spektakulär jetzt nicht wirklich. Dafür umso schönere Natur ringsherum.

Weiteres Hiking wird unmöglich, da das Wetter gegen uns ist. Es regnet ununterbrochen. Wir streichen die restlich geplanten Wanderungen am East-Coast-Trail und fahren nach Bay Roberts.

Bay Roberts

Hier gibt es den Heritage Walk. Leider regnet es immer noch. Trotzdem schauen wir uns um.

Kurz mal Tee kochen – ist so kalt.

Neufundland – wir werden jetzt gehen

Unsere nächste Couchsurfing Möglichkeit wäre erst in 2,5 Tagen. Doch wissen wir bei diesem Wetter nicht, was wir bis dahin machen sollen. Wir beschließen zurückzufahren und uns von Neufundland zu verabschieden. Anscheinend ist es Zeit weiterzuziehen.

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Wir fahren bis zum Terra Nova National Park und entkommen dem Regen in einer weiteren halben Hütte, die uns Wärme schenkt, Trockenheit und es einfach macht, Essen zu kochen und warm zu halten. Hoch lebe der Kaminofen.

Am nächsten Tag kommen wir bis zum Ende der Insel und übernachten im gleichen Provincial Park wie am ersten Tag auf Neufundland – exakt einen Monat später. Der erste und letzte Tag am jeweils Dritten des Monats. Kein Zufall.

Abends dominiert der Wind und fegt über das Land. Wir fahren zum Strand und genießen die Monsterwellen. Sebastian lacht und springt wie ein kleiner Junge.

Heute Nacht fährt keine Fähre, bei diesen Wellen nicht fraglich. Wir nehmen die Fähre am nächsten Morgen. Ich werde in den 8h nicht einmal meinen Platz verlassen und versuchen viel zu schlafen. Das Risiko von Übelkeit gering halten!

Auf baldiges Wiedersehen Neufundland! Du hast uns gefallen, wir kommen sicher wieder!

Kartoffelkontrolle

Vor der Fähre wird unser Auto kontrolliert.

Haben sie Kartoffeln bei sich? Oder Möhren?

Alles was in neufundländischem Boden steckte, darf die Insel nicht verlassen. Das liegt daran, dass hier eine komische Kartoffelkrankheit hauste. Man wolle sicher gehen, dass sie sich nicht verbreitet.

Komisch nur, dass man hier auf Neufundland die Kartoffel ganz normal isst. Warnungen vor Kartoffelkrankheiten gibt es keine.

Aber vielleicht sehen wir ja bald so aus:

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David Lynch hat es gewusst!

Zurück nach Montreal – Ab an die Westküste

Von North Sydney aus beginnt unsere Reise zurück nach Montreal. Hier warten offizielle Dokumente auf uns. Wir durften ja die Adresse unseres ersten Couchsurfers Benoit verwenden für Auto-Versicherung, Bank usw. Jetzt besuchen wir ihn wieder. Wir freuen uns schon!

Von Montreal beginnt unser Winter-Roadtrip durch ganz Kanada – von Ost nach West. 6000km. Bald geht’s los!